Goldene Zeiten für flinke Finger

Die 57er Gibson Customshop Les Paul Gold Top

ein Test von Hansi Tietgen

Die Les Paul feierte ihre Premiere im Jahr 1952. Um die Exklusivität der neuen Gitarre zu unterstreichen beschloss Gibson den ersten Modellen eine goldene Decke zu verpassen. Die legendäre "Gold Top" war geboren. In den Folgejahren durchlief die Les Paul eine ganze Reihe technischer Updates. Um dieser evolutionären Entwicklung standesgemäß Rechnung zu tragen, bietet der Gibson Custom Shop aktuell gleich drei historische Varianten zum Thema "Les Paul Goldtop" an: Das 1954er Modell mit P-90 und Wrap-Around-Tailpiece, die 1956 Variante mit P-90, Tune-O-Matic Bridge und Stop-Bar-Tailpiece; und schließlich die Version von 1957 auf der der legendäre P.A.F. Humbucker debütierte.

Und genau diese Variante des Sahnestückchens haben wir uns für einen Test an Land gezogen. Schon das öffnen des Customshop-Koffers hat irgendwie etwas Erfurchteinflößendes. Man kann es drehen und wenden wie man will: Eine Goldtop ist eben doch etwas ganz Besonderes. Die Altvorderen im Hause Gibson haben im Frühjahr 52' genau die richtige Entscheidung getroffen.

Der Korpus des wunderschönen, in Handarbeit gefertigten Instruments, bietet klassische Les Paul Attribute und kommt mit einer Basis aus Mahagoni, gedeckelt von einer massiven Ahorn-Decke der Güteklasse AA . Das luxuriöse in Form geschnitzte Stück Handwerkskunst ist mit einem hochwertigen Antique Gold-Finish überzogen und wird von einem einschichtigen, cremefarbenen Binding eingefasst. Die Mahagoni-Rückseite ist hochglänzend transparent lackiert. In Sachen Hardware verwöhnt die 57er Goldtop mit der unschlagbaren Kombination ABR-1 Tune-O-Matic Bridge/Aluminium Stopbar Tailpiece. Die Tune-O-Matic Bridge kam auf Les Pauls ab dem Baujahr 1955 zum Einsatz und erlaubte erstmals die individuelle Einstellung der Oktavreinheit für jede Saite.

Klar, dass bei einem solchen Instrument der Wahl der zum Einsatz kommenden Pickups ganz besondere Aufmerksamkeit galt. Die, für den Bau der historischen Instrumente verantwortliche Art&Historic Division des Gibson Custom Shops in Nashville hat sich im Falle unserer Goldtop für Burstbucker entschieden. Eine perfekte Wahl! Die Pickups der Burstbucker-Baureihe sind eine konsequente Weiterentwicklung des '57 Classic in Richtung Originalreplikat und bieten einen Sound, der ganz nah an der Performance des von Seth Lover entwickelten Ur-Humbuckers P.A.F. rangiert – und dieser feierte sein Debüt ja bekannterweise auf Les Pauls des Baujahrs 1957. Passt also! Ihren unwiderstehlichen Vintage-Sound erhalten die Tonabnehmer durch nicht 100% identisch gewickelte Spulen und die raue, ungeschliffene Oberfläche der verwendeten Magnete.

In der Hals-Position der Goldtop kommt ein BurstBucker 1 zum Einsatz. In der Bridge-Position wartet ein etwas heißerer gewickelter BurstBucker 2 darauf, vom 3-Wege Toggle Switch aktiviert zu werden. Zur Kontrolle der beiden Tonabnehmer steht das Les Paul typische Standard-Besteck, bestehend aus zwei Volume-, und zwei Tone Reglern zur Verfügung. In Sachen Potiknöpfen setzt der Custom Shop bei unserer Goldtop traditionsbewusst auf Gold Top Hats. Aber auch die übrigen Details der Korpusregion sind Original 57 und werden Kennern viel Freude bereiten. So besteht sowohl der cremefarbene „Washer“um den 3-Wege Pickup-Wahlschalter, als auch die Abdeckplatte der Klinkenbuchse aus relativ dünnem Kunststoff. Bei neueren Paulas fallen beide Bauteile deutlich massiver aus. Ein cremefarbenes Schlagbrett komplettiert die Ausstattung des Korpus.

Der Hals

Der, aus einem Stück Mahagoni gefertigte Hals der Gitarre ist ein Gedicht. Kein Wunder, das 57er Les Pauls so begehrt sind. Das verwendete 50s Rounded Profil liegt rund und satt in der Hand und vermittelt- aus dem Stand- ein wohliges Spielgefühl. Weiterer Vorteil des massiveren Halses: Er ist nicht nur „verzugsresistenter“, sondern beteiligt sich auch intensiver an der Tonbildung und dem Sustain der Gitarre, als ultraflache HighTech Hälse. Und der Bespielbarkeit tut das „mehr an Holz“ auch keinen Abbruch. Das Palisander-Griffbrett ist mit 22 Bünden beschlagen und wird durch, in Sachen Shaping und Farbe 100% historisch ausfallenden Acryl Trapez-Inlays verziert. Ein einschichtiges, cremefarbenes Binding rundet die Ausstattung des eleganten „Arbeitsplatzes“ ab. Zeit, uns um die modelltypisch um 17 Grad abgewinkelte Kopfplatte zu kümmern. Ihre Front ist hochglänzend schwarz lackiert und trägt die typischen Familien-Merkmale: Ein eingelegtes Gibson Logo, die in Gold aufgebrachte Modellbezeichnung und eine gravierte Kunststoffglocke. Und natürlich halten bei einem Instrument der Art&Historic Abteilung des Gibson Custom Shops, auch die verwendeten Kluson-Design Mechaniken (mit Tulip-Buttons) dem scharfen Kennerblick stand. Die, in klassischer Manier aus gefalztem Stahlblech gefertigten Tuner arbeiten präzise und leichtgängig und hätten so wie sie sind, auch auf dem 57er Orignal Dienst tun können. Das Kluson-Bauprinzip hat sich über Jahrzehnte bewährt und steht modernen Guss-Mechaniken in nichts nach.

Die Praxis

Schon der akustische Grundsound der Les Paul ist vom feinsten. Druckvoll, satt und sustainreich. Beste Voraussetzungen also für Spielspass pur im verstärkten Betrieb. Starten wir mit dem Clean-Modus. Hier liefert der in der Halsposition verbaute BurstBucker 1 einen sehr warmen, dichten Sound ideal für alle Arten von Rhythmusgitarren, aber auch zum Solieren und Jazzen bestens geeignet. Der Mischbetrieb beider Pickups in der Mittelposition, sorgt für mehr Brillanzen und bildet so die Grundlage für knackige, duchsetzungstarke Akkord-Sounds. Aber auch perkussive Funkvamps und pulsierende Singlenote-Lines sind hier zuhause. Der Burstbucker 2 in der Bridgeposition schreit zwar förmlich nach Overdrive, muss sich aber noch einen Augenblick gedulden und darf stattdessen erst einmal zeigen, was er clean so alles drauf hat. Und er hat einiges zu bieten. Sein Sound ist präsent, mit jeder Menge „Twang“-ohne dabei aber unangenehm harsch, oder drahtig zu klingen. Hier kommen Country-Gitarristen voll auf ihre Kosten. Richtig cool klingen auch im fingerstyle gespielte Blues-Licks. Prüfung bestanden! Zeit, den Turbolader an zu werfen. Im Overdrive-Betrieb zeigt die Goldtop ihre ganze Klasse.

Der Sound des Burstbucker 2 ist ein absoluter Hammer. Der Pickup liefert unwiderstehlich sahnige, sehr intensive Leadsounds, mit einem niemals enden wollenden Sustain. Dabei sind klassische Blues-Leads genauso selbstverständlich im Angebot, wie knackige Powerchord-Riffs, oder rasante Rock-Leads – die Paula hat`s eben drauf. Und wenn man die E-Saite auf D runterstimmt, oder gleich das gesamte Tuning um einen Ganzton absenkt, steht das ganze Spektrum massiver NewRock-Sounds zur Verfügung.

Auch der BurstBucker 1 in der Halsposition steht der Performance seines Bruders in nichts nach. Nicht umsonst wurde der BurstBucker von Gibson erstmals auf der Gary Moore Signature Les Paul eingesetzt. Der Pickup ist ein wahres Füllhorn an superdynamisch, singenden Blues-Leadsounds. Die Les Paul reagiert spontan auf jedes noch so kleine Spieldetail und setzt das eingegebene Feeling perfekt um. Die erstklassige Bespielbarkeit der Gitarre tut den Rest und inspiriert zu immer neuen Solo-Exzessen.

Fazit

Wegen ihrer absoluten Detailtreue wird die Customshop Replik einer 57er Goldtop Les Paul Sammlern viel Freude bereiten. Um ihr Dasein in einer Vitrine zu fristen ist die Gitarre aber definitiv viel zu schade. Ihre wahre Bestimmung liegt ganz klar im „Live-Betrieb“. Das fängt schon mit der erstklassigen Bespielbarkeit des sehr komfortabel in der Hand liegenden 50th Halses an. Wer hier nicht ins Schwärmen kommt, ist selber schuld. Und das gleiche gilt auch für die Sounds. Egal ob fette Leads, knallharte Riffs, oder sanfte Chords: Hier ist alles erste Sahne. In jedem erdenklichen Genre adelt die Gitarre den Sound eines Songs mit ihrer Wahnsinns-Dynamik und einer feinzeichnenden, sehr direkten Ansprache.

Und das wird ganz sicher auch in hundert Jahren noch so sein. Wahre Qualität unterliegt eben keinen Trends!

Specs

- Mahagonikorpus mit aufgeleimter Ahorndecke

- Mahagoni-Hals mit Early 50th Rounded Profil

- Palisandergriffbrett

- Trapez Inlays

- Vintage Tulip Mechaniken

- 2x Gibson BurstBucker (1 & 2)

- cremefarbenes Binding an Hals und Korpus

- ABR-1 Bridge

- Aluminium Stopbar Tailpiece

- Nickel-Hardware

- Farbe: Gold Top

- inkl. Original Gibson Koffer

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